Nachdem nun der ganz große Hype abgeklungen ist, könnte es für Sie also jetzt heißen: Ich bin dann mal da, in Santiago de Compostela oder an einem anderen Ort auf der Route. Ein Erlebnis ist solch eine Tour mit Sicherheit.

Als Camper mit leichtem Gepäck machen Sie schon einmal eins völlig richtig: Sie versuchen nämlich, sich vom Ballast zu befreien, der Sie in Ihrer Beweglichkeit und damit im übertragenen Sinne in Ihrer Entwicklung behindern könnte.

Wenn Sie den spirituellen Teil dieser Reise auch ein wenig - oder sogar  sehr - ernst nehmen, hat das Leichte auch etwas Symbolisches. Was braucht der Mensch wirklich, um glücklich zu sein, was braucht er, um ein gutes, sinnvolles Leben zu erzielen? Sie werden sehen, dass Ihnen solche Gedanken fast unwillkürlich auf dieser Tour kommen. Halten Sie sie nicht davon ab!

Allein oder in der Gruppe reisen?

Ob Sie Teile des Jacobswegs, der schließlich schon im hohen Norden Europas beginnt, allein oder zu mehreren bewältigen, ist sicher Geschmackssache.  Nicht wenige Menschen, die sonst ständig in allerhand Gruppen und Strukturen, in der Familie oder Firma mit ihren Forderungen stecken, empfinden die Vorstellung, dass Sie einmal ganz allein auf sich gestellt sind, alles selbst und ohne Rücksichtsnahme entscheiden können, durchaus als angenehm und als Chance.

Wenn das auf Sie auch zutrifft, halten Sie sich eben von den organisierten Touren fern, die es in großer Zahl "seit Hape" gibt, und machen Sie sich allein, ganz in Ihrem individuellen Tempo und Rhythmus, auf den Weg. Einen großen Vorteil hat das auch noch - Sie sind als Solowanderer bzw. -camper eigentlich überall willkommen. Dazu aber gleich mehr.

Was auch hilft - die Jacobsmuschel am Zelt 

Wenn Sie es ernst meinen und sich auf Zeit als echten Pilgerer sehen, können Sie auch die Muschel nutzen, die zum Einen den Camino als Wegmarkierung säumt, zum Anderen aber auch eine Art Visitenkarte für Pilgerer darstellt. Wenn Sie solch eine Muschel an Ihrem Rucksack oder am Zelt befestigen, haben Sie eine Art Schutz oder auch eine "Eintrittskarte" und gehören dazu.

Dass niemand so ein Symbol missbraucht, davon gehen die Einheimischen nun einmal aus und bieten den Wanderern allerhand schöne Sachen als Anerkennung an. So kann es schon einmal sein, dass Sie, wenn Sie staubig abends im schönsten Sonnenuntergangsrot an einem Hof ankommen, der Besitzer desselben Ihnen nicht nur einen Platz in der Scheune anbietet oder den Garten zum Camping zur Verfügung stellt, sondern Sie auch zu Brot und Wein einlädt. Das ist eine alte Tradition und die Anerkennung der Mühen, die die Pilgerer auf sich nehmen.

Was brauche ich wirklich für mein Leben?

Oftmals wählen Menschen diesen Weg auch, um sich über ihre Lebenssituation klar zu werden, als eine Art Sabbatical. Wenn Sie sich gerade in einer Umbruchsituation befinden, kann dieses Einfache, sich im Grunde nur auf die Schritte Konzentrieren ideal für Sie sein.

Sie haben ja vermutlich dennoch Ihr Handy mit dabei, aber Sie werden es vileleicht auch gut finden, es einmal nicht nutzen zu müssen, fern von allen Forderungen zu sein. Könnte so Ihr Leben in Zukunft aussehen, ein Leben mit weniger Erreichbarkeit, weniger "Das darf ich alles nicht verpassen"? Es scheint gerade der Weg durch den warmen Süden Europas dazu zu führen, dass alles klarer wird, aber auch ein Stück leichter.

Wenn Sie merken, dass alles, was Sie für die Zeit an Sachen benötigen, leicht mit zu führen ist, könnte der Verzicht auf Materielles oder auch nur einen Teil des reichlich Vorhandenen schon an Schrecken verlieren. Nutzen Sie diese Chance zur Neuorientierung!

Weniger spirituell - Bewegung, frische Luft, Einfachheit 

Um diese Tour aber nicht künstlich zu erhöhen, kann man sie auch unter  allerlei "technischen" oder rationalen Aspekten betrachten. Wenn Sie sich gut auf die Reise vorbereitet haben, den nötigen Proviant, Lampen, passende Kleidung, Pflaster und Co. perfekt organisieren, haben Sie alles, um eine wirklich spannende und auch gesunde Zeit zu verbringen.

Sie legen Ihre Strecke jeden Tag so fest, dass sie sich nicht aufdrängt, Sie nicht überanstrengt, und Sie können sicher sein, dass Ihr Rücken, Ihre Beine, der ganze Körper die Bewegung und das Gefühl. etwas zu schaffen, sehr genießen. Sie schaffen etwas, das Sie aber gar nicht messen müssen,  sondern einfach nur positiv registrieren.

An die Grenzen gehen

Der Verzicht auf den gewohnten Komfort, nachts nur auf einer Matte zu liegen, umgeben vom Zelt als "Haus" zu sein, sich anders als sonst zu ernähren: Das kann manchmal etwas hart sein, aber Sie machen es ja freiwillig und auch darum, weil Sie vielleicht Ihre Grenzen einmal ausloten wollen. Wie gehen Sie mit großer Hitze um, wie mit Blasen an den Füßen, mit Mückenstichen am ganzen Körper, wie fühlt sich das Alleinsein an? Sie können sicher sein, dass Sie nach einer solchen Tour ein anderer Mensch sein werden - der dieses "anders Sein" auch in die Praxis umsetzt.

Dieses Andere kann alles Mögliche sein: Sie können die Stunden im Job reduzieren, die Wohnung komplett entrümpeln oder die Kontakte auf wenige, aber echte reduzieren. Es warten, wie Sie schon ahnen, beträchtliche Entwicklungen und Veränderungen auf Sie. Machen Sie sich auf den Weg, und wenn es nur für 10 Tage ist. Ihr Zelt, der Rucksack, die Sonne und Sie: Das reicht vielleicht schon, um zufrieden zu sein?